Voller Vorfreude und Spannung bin ich am 26.01.2017 nach München gefahren um von dort über Atlanta, wo ich eine Übernachtung hatte, nach San Pedro Sula zu gelangen. San Pedro Sula ist nach Tegucigalpa die zweitgrößte Stadt in Honduras und liegt nördlich von Tegucigalpa. Während Tegucigalpa das administrative Zentrum des Landes ist, ist San Pedro Sula das kommerzielle. Mit gemischten Gefühlen verlasse ich den Flughafen. San Pedro Sula gilt als eine der gefährlichsten Städte der Welt.
Zum Glück und wie vereinbart, holt mich Christian Romero (Sohn von Pedro Romero, Partner der Gesellschaft) und Alfredo ein Freund von Christian, mit dem Pick-up am Flughafen ab. Über sehr holprige, nur teils asphaltierte Straßen mit vielen, vielen Schlaglöchern geht es nun bergauf ins Landesinnere. Schon bald werden die Straßen enger, staubiger und sind nicht mehr asphaltiert. Eigentlich ist die Strecke nicht so weit, es sind um die 200 km, doch wir müssen mit einer Fahrtzeit von 5 Stunden rechnen. Auf halbem Weg machen wir halt, um im „Caffee Welchez“ eine gute Tasse Kaffee zu genießen. In wildem Tempo geht es über das Hochgebirge von Coban weiter nach „Santa Rosa de Copan“, einer Stadt auf 1160 m Meereshöhe. Noch ca. 40 km müssen wir bis nach Capucas fahren.
Endlich, nach ca. 5 Stunden, erreichen wir Capucas, eine kleine Gemeinde. Wir fahren direkt ins Hotel Capucas, das zur Cooperativa Cocafcal gehört und in dem wir für 10 Tage wohnen werden. Das Hotel ist im Verhältnis zum Lebensstandard in Honduras sehr schön und komfortabel. Da die meisten Besucher, die nach Capucas ins Hotel kommen, potenzielle Kaffeeeinkäufer sind, möchte man sich natürlich nur von der besten Seite zeigen und man hat hier viel investiert.
Andrej, Ansgar und Matthias erwarten und empfangen mich herzlich und zeigen mir das Hotel und meine Unterkunft. Ein kleines, aber feines Holzhaus ist mein Bereich. Endlich etwas essen und das Wichtigste: schlafen!
Gleich am nächsten Morgen geht’s los. Das erste Mal sehe ich sie: Finca Colorado, eine der beiden Plantagen von Umami Area, von welcher wir Projektpartner und Mitbesitzer sind. Wir starten mit den Pick-Ups vom Hotel hinunter über staubige Straßen und erreichen bereits nach 15 Minuten das Haus am Eingang der Plantage in dem momentan der Verwalter mit seiner Familie lebt.
Weiter talabwärts erreichten wir den tiefsten Punkt der Finca, die Brücke. Die Brücke führt über den Rio Colorado, einer der beiden Flüsse die unsere Finca durchfließen. Gerade das ist eine Besonderheit unserer Finca. Bereits von unten sehen wir die Gebäude und Holzhütten die zur Finca gehören. Ein Stück bergauf und wir stehen nun zwischen den Hütten und den Gebäuden die zur Kaffeeverarbeitung dienten.
Begleitet werden wir heute von Kaffeebauer Pedro Romero (Partner der Gesellschaft), Alex (Agronom und Mitarbeiter der Cooperativa Cocafcal), zuständig für die Finca Colorado. Jetzt wird vor allem mir, der zum ersten Mal da ist, die Finca erklärt und gezeigt. Es gibt das Herrenhaus mit den dazugehörigen Sanitäranlagen, die Toiletten, den Waschplatz, das Haus der Pflücker, die Hütte zum Schlafen, einen gemauerten Außenofen und sogar ein kleines Plantschbecken. Sogar ein altes Benefizio zum Verarbeiten von Kaffee ist noch vorhanden. Da der Vorbesitzer letzthin nicht mehr häufig auf der Finca anwesend war, ist alles etwas heruntergekommen. Ansgar ist bereits mit Eifer dabei, alle Mängel zu suchen, die behoben werden müssen. Andrej hat seine Drohne mitgebracht, um die Finca aus der Luft zu filmen und zu fotografieren. Wir wandern vom tiefsten Punkt der Finca, wo die Häuser stehen und wo die beiden Flüsse aufeinandertreffen, bergauf zum Aussichtspunkt und weiter bergauf zum höchsten Punkt der Finca. Von da oben hat man einen guten Überblick über 52 Manzanas Land, (ca. 38,50 ha). Nachdem wir die „To do“ Liste erstellt haben, gehen wir wieder hinunter zu den Hütten und verlassen für diesen Tag unsere eigene Finca. Schöner Gedanke …!
Am Nachmittag steht die Fahrt zu unserer zweiten, der etwas kleineren Finca Mirador auf dem Programm. Wir starten dieses Mal nur zu zweit mit dem hoteleigenen Quad. Die Strecke ist nicht sehr weit, aber es geht über Stock und Stein bergauf. Die kleine Plantage liegt auf 1.500 Metern im Naturpark Celaque. Dort oben haben die Ranger (überwachen den Naturpark) ihr Quartier. Wir parken das Quad und betreten auch hier das erste Mal dieses Grundstück auf dem aktuell noch kein Kaffee angebaut wird. Wir durchwandern das Gelände und schmieden Pläne und fachsimpeln, wie diese Plantage wohl am besten anzulegen ist. Hier soll bald der beste Kaffee Honduras angebaut werden. Das ist das große Ziel.
Leider müssen wir wieder zurück. Ein letzter Blick schweift über das Gelände – ich komme bestimmt bald wieder!
Die Cooperativa Cocafcal ist die örtliche Genossenschaft in der die Kaffeebauern von Capucas zusammengeschlossen sind. Zur Cooperativa gehört ein Bürogebäude, ein Sitzungssaal, das Kaffeelabor, die Bar, die Kaffeeentpulpungsanlage, die Kaffeetrocknungsanlage (Secadora) sowie die Honigverarbeitungsstätte. Präsident der Cooperativa ist José Omar Rodriguez. Omar ist ein richtiger Manager, der auch gleichzeitig Partner unserer Gesellschaft ist.
Auf dem Gelände der Cooperativa ist auch die Capucas Coffee Academy untergebracht. Hier treffen sich Baristas aus der ganzen Welt, um sich im Kaffeesektor noch besser auszubilden. Hier können verschiedene Kurse besucht und wichtige Punkte im SCA Coffee Diploma System erlangt werden. Betrieben wird die Academy von Umami Area. Allen voran von Andrej Godina, einem wichtigen Mann in der Kaffeeszene. Die Academy wird außerdem auch von der SCA unterstützt.
Natürlich haben wir die Zeit in Honduras auf der Cooperative auch genutzt, um die diesjährige Ernte in verschiedenen Varianten zu rösten und zu verkosten.
Am nächsten Tag fahren wir zum Cafè Solar in Capucas. Das Cafè Solar ist ein Ableger der Cooperativa Cocafcal und wurde erst vor Kurzem errichtet. Das Cafè Solar ist in erster Linie Versuchs- und Forschungszentrum und Trockenbenefizio für die Pergaminos. Auf dem Gelände vom Solar gibt es eine eigene Universität. Es wird bald noch um ein Schulungszentrum erweitert. Universität und Schulungszentrum sollen vor allem den einheimischen Kaffeebauern dienen.Wir durchwandern das Solar, sehen neu angelegte Kaffeeplantagen, die Fischzucht, die Aufzucht der Jungpflanzen, die Tomatenzucht, das Gewächshaus der Blumen, den Rohbau für die Honigproduktion und die enorme Kompostierungsanlage der Kaffeekirschenschalen. Vor allem sind wir heute aber auch hier, um die letzten zu trocknenden und bereits getrockneten Pergaminos der Finca Colorado zu begutachten. Unser erster Kaffee wird demnächst verkauft, um weiter in das Projekt investieren zu können. Das Solar soll auch für die einheimische Bevölkerung eine Bereicherung sein; es soll ein Ort zum Sichtreffen werden. Zu diesem Zweck wurde vor allem für die Jugend ein Fußballfeld errichtet, auf welches man besonders stolz ist.
Am Nachmittag steht zur Entspannung „Canopying“ an. Direkt in Pedros Romeros Plantage ist der Start. Über Drahtseile saust man von einer Talseite zur anderen und quert somit mehrmals tiefe Schluchten, bis man am Ende ganz unten im Tal landet. Die Anlage wurde von der Cooperativa Cocafcal und dem Hotel Capucas gebaut, um auch touristisch etwas bieten zu können. Das war ein Spaß!
Am Sonntag haben wir einen örtlichen Gottesdienst besucht. Es war eine interessante Erfahrung für uns, direkt mit den Einheimischen eine Messe zu feiern. Die Prediger, die sich in ihrem Tun abwechseln, steigern sich extrem hinein in die Materie und predigen mit voller Inbrunst. Für unser europäisches Verständnis fast schon zu intensiv und ausdauernd. Es gibt in Capucas mehrere Glaubensgemeinschaften. Bei einer der meist verbreiteten Glaubensgemeinschaften in Capucas sind Zigaretten und vor allem Alkohol verpönt. Für Länder in denen normalerweise viel Alkohol konsumiert wird und dies negative Einflüsse vor allem auf Männer und ihre Familien hat, eine sehr gute Sache.
Wenn man schon in Honduras ist, will man natürlich auch Einheimische und deren Leben kennenlernen. Einer davon ist Jose Francisco Villeda (Panchito, der Einarmige). Er ist Partner beim Projekt.
Pancito ist ein weitum bekannter Mann im Kaffeeanbau und hat sich einen Namen gemacht. Er verarbeitet seine Kaffees selbst und hat sein eigenes Benefizio. Beim Besuch bei in seinem Zuhause hat er uns alles gezeigt und erklärt. Viele gute Infos, die wir nur zu gut gebrauchen können. Es ist natürlich toll, so jemanden wie Panchito im Team zu haben – das sind Leute mit viel praktischer Erfahrung!
Am nächsten Tag steht die Besichtigung von Pedro Romeros Plantage „Los Popitos“ an. Auch er ist einer der Kaffeebauern, die wir im Team Umami haben. Er erklärt uns sehr viel über seinen Kaffee, seine unterschiedlichen Sorten, Schwierigkeiten, Erfolge und vom Leben eines Kaffeebauern. Nicht zuletzt zeigt er uns auch voller Stolz seine Imkerei. Er arbeitet mit der sehr kleinen und in Mittelamerika heimischen „Tetragonisca angutula“-Biene. Er produziert sehr guten und teuren Honig, aber auch medizinische Produkte wie Rachenspray und Augentropfen, die als Arzneimittel verwendet werden.
Ein Tag wurde für die Fahrt nach Santa Rosa de Copan genutzt. Iwan, unser ortskundiger Fahrer, hat uns über staubige Straßen, durch kleine Ortschaften und Kaffeeplantagen sicher nach Santa Rosa gebracht. In Santa Rosa haben wir das Geschäftskonto für die neue Gesellschaft eröffnet. Wieder ein Erlebnis der besonderen Art: bereits am Eingang der Bank wird man durchsucht. Rucksack und Handy sind abzugeben. Ein schwer bewaffneter Polizist sorgt für Ordnung. Wird schon Gründe für so strenge Kontrollen geben! Natürlich nutzt man die Gelegenheit um die Stadt zu besichtigen und gut zu essen. Ansgar kannte das Lenka Maya, in dem wir vorzüglich gespeist haben. Guter Tipp!
Die Fahrt nach Santa Rosa war auch mit dem Besuch bei Douglas Urquia und seinem Planet Coffee verbunden. Douglas Urquia ist Projekt-Partner und Besitzer dieser schönen und relativ neuen Kaffeeverarbeitungsanlage. In der Bar vom Planet Coffee (wo übrigens hervorragender Espresso serviert wird) werden wir von Douglas begrüßt. Er zeigt uns die gesamte Anlage und erklärt uns die geplanten Erweiterungen. Demnächst wird das neue Laboratorium eröffnet. Wir sind sehr beeindruckt und wissen nun, wie und wo Capucas seine Pergaminos schälen, teilweise trocknen, aussortieren und einsacken lässt.
Auch die interessanteste Reise geht irgendwann zu Ende. Gegen 5 Uhr früh werden wir am Freitagmorgen von unserem Fahrer im Hotel Capucas abgeholt. 5 Stunden zügige Fahrt über staubige Straßen – bei offenem Fenster – stehen uns bevor. Sicher und ohne Pause erreichen wir San Pedro Sula. Der Fahrer bringt uns direkt zum Flughafen. Nach einer Stärkung geht der Flugmarathon von San Pedro Sula über Atlanta nach Paris und von dort nach München weiter. Ich treffe um 22 Uhr Samstagabend zu Hause in Völs ein: zum Glück ist der nächste Tag ein Sonntag – denn am Montag wartet die Rösterei auf mich.